Okinawa
Das Karate wie wir es heute kennen, ist auf einer Insel südlich von Japan entstanden. Seit der ersten Jahrtausendwende hatten die Ryukyu-Inseln, dessen Hauptinsel Okinawa ist, Kontakt mit japanischen und chinesischen Händlern. Die Chinesen intensivierten ihren Kontakt in dem sie eine eigene Siedlung auf Okinawa gründeten. Dort lebten die 36 Familien, gesandte des chinesischen Kaiser, die die Okinawaner im gründen und leiten eines Staates anleiten sollten. Zu diesen Gesandten gehörten auch einige versierte Kampfkunstexperten, die ihre Kunst in direkter Nachfolge der Shaolin-Mönche erlernt hatten. Sie unterrichteten die ersten Okinawaner, vornehmlich Beamte und Adelige in den chinesischen Kampfsystemen.
Auch auf Okinawa existierten Formen des systematisierten Kampfes, die als Te (Technik) bezeichnet wurden. Es handelte sich hierbei vor allem um eine Art Ringkampf. Diese beiden Methoden wurden je nach Schüler in unterschiedlichem Maße vermischt. Die hieraus resultierenden Formen der Selbstverteidigung wurden als Tode bezeichnet, wobei To für die damalige Dynastie in China stand . Tode konnte somit als Technik aus China übersetzt werden.
Aufgrund von Streitigkeiten im Okinawanischen Königshaus wurde im 15. Jahrhundert das tragen von Waffen verboten. In der Folgezeit wurde das üben des Tode intensiviert. Die einfache Landbevölkerung begann hingegen den Gebrauch von Alltagsgegenständen als Waffe zu üben. Gemäß der Chinesischen Tradition hatten die Lehrer damals nur wenige Schüler, die sie persönlich unterrichteten. Meist waren die Schüler im Haushalt des Meisters und hatten neben ihrem Kampfkunstunterricht dort Aufgaben zu verrichten.
Im 16. Jahrhundert gelangten die ersten Samurai nach Okinawa um die Insel zu besetzen. Sie erneuerten das Edikt zum Verbot von Waffen. Im Gegensatz zu den Chinesischen Gesandten waren die Samurai den Bewohnern weniger freundlich gesinnt. Es kam zu Raubüberfällen, Plünderungen und Vergewaltigungen. Der einzige Schutz war das Studium des Tode, bzw. der Waffenkünste. Nachdem die Samurai ihre ersten Niederlagen einstecken mussten, wurden alle Kampfkunstmeister verfolgt und die Bauern nach möglichen Waffen durchsucht. Der Unterricht konnte nur noch im Geheimen abgehalten werden. Zu diesem Zeitpunkt waren die Absichten zum Erlernen einer Kampfkunst immer von einer realen tödlichen Bedrohung ausgegangen.
Auch nachdem in der Meiji-Restauration die Samurai entmachtet waren und Okinwa als Provinz an Japan angegliedert wurde, änderte sich der Unterricht des Tode kaum. Man gebrauchte inzwischen den Namen Okinawa Te. Die Lehrer unterrichteten ihre wenigen Schüler in ein bis drei Kata-Formen und deren Anwendung. Hatten sie diese gemeistert, empfahl sie der Meister weiter. Es gab viele persönliche Kampfkunstauffassungen der Lehrer, die jedoch alle aus einem großen Topf schöpften und keine Grenzen zuließen. Lediglich geographische Schwerpunkte waren feststellbar, die auch heute noch in den einzelnen Stilen nachvollzogen werden können. Fester Bestandteil des Unterrichts war jedoch die philosophische und geistige Auffassung einer Kunst, die sowohl aus der Tradition der Shaolin als auch der Samurai entlehnt war. Da der direkte Bezug der Anwendung im Kampf immer weniger gegeben war, änderten die Meister ihre Auffassung und betonten den geistigen Aspekt.
Erst im 19. Jahrhundert wurde der Wert der Kampfkünste von der Bevölkerung wieder aufgegriffen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts empfahl Meister Itosu, das Okinawa Te an den Schulen zu unterrichten. Dazu sammelte er viele der in der Umgebung geübten Kata und überarbeitete sie. Zum ersten Mal wurde das Karate systematisch erfasst und vereinheitlicht. Itosu wandelte die Techniken ab und ließ sie auf der Grundlage der chinesischen Gesundheitsgymnastik Qigong ausführen. Er teilte einige lange Kataformen auf und entschärfte die Formen, in dem er Techniken mit geöffneten Händen vermied oder mit geschlossenen Fäusten üben ließ. Außerdem gründete er neue Kata, die speziell für den Unterricht an den Grundschulen geeignet waren. Außerdem wurde der Gebrauch der Bezeichnung Karate üblich, wobei Kara auch als To gelesen werden kann und somit wieder auf den chinesischen Ursprung hinwies.
Viele damalige Meister schauten misstrauisch auf diese Entwicklung und betrachteten das Karate von Itosu als falsch und schwach. Es war jedoch nie die Absicht die tödlichen Formen der Selbstverteidigung an den Schulen zu unterrichten. Seine persönlichen Schüler übten nach wie vor die alten Kata und deren kämpferische Anwendung.
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